Sachverständiger werden

Gutachter im Immobilien- und Baugewerbe
Von Urs Nießen Aktualisiert 29.08.2023 Veröffentlicht 07.08.2023

Das Sachverständigenwesen in Deutschland

Beim Sachverständigenwesen existieren in Deutschland insgesamt zwei1 rechtlich geschützte Sachverständigenzertifizierungen:

  • Die öffentliche Bestellung und Vereidigung (ö.b.u.V.)
  • die Personenzertifizierung nach DIN (EN ISO/IEC) 17024

Während die öffentliche Bestellung und Vereidigung durch eine jeweils für eine Region zuständige Kammer erteilt wird, wird die Zertifizierung gemäß DIN 17024 durch, eine durch den DAkkS2 akkreditierte, Zertifizierungsstelle geprüft und erteilt. Zudem gibt es den nicht geschützten "freien Sachverständigen".

Öffentliche Bestellung und Vereidigung (ö.B.u.V.)

Was ist die öffentliche Bestellung?

Personen, die als Sachverständige tätig sind, können gemäß § 36 Abs. 1 Gewerbeordnung (GewO) auf Antrag für bestimmte Sachgebiete öffentlich bestellt werden. Dazu sind Bestellkörperschaften für die formelle Bestellung und die Qualitätssicherung von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zuständig. Die öffentliche Bestellung erfolgt durch die jeweils zuständige Kammer, wie die Industrie- und Handelskammer.

Die öffentliche Bestellung im Handwerk

Die Handwerkskammern sind nach § 91 Abs. 1 Nr. 8 HwO3 für die Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen des Handwerks legitimiert, unter anderem zur Erstattung von Gutachten über Waren, Leistungen und Preise von Handwerkern, jedoch auch z.B. für die Prüfung und Überwachung von Anlagen und Dokumentationspflichten. Die Sachverständigen des Handwerks sind wie alle öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen in Deutschland auf Grundlage des § 36, § 36a GewO bestellt und vereidigt. Diese öffentliche Bestellung ist ein Verwaltungsakt. Die öffentliche Bestellung der Sachverständigen des Handwerks erfolgt nach Berufen. Das bedeutet, dass alle unter das jeweilige Bestellgebiet bzw. den Beruf fallenden Tätigkeiten oder Anlagen mit dem Bestellgebiet abgedeckt sind. Eine öffentliche Bestellung erfolgt immer auf ein Gebiet. In der Regel werden öffentlich bestellte Sachverständige dann zudem durch das Gericht vereidigt. Dadurch kann das Gericht bei Streitigkeiten den jeweiligen Sachverständigen zur Schlichtung direkt heranziehen, sofern er für das Fachgebiet vereidigt ist. Nur wenn für das jeweilige Fachgebiet kein Sachverständiger vereidigt ist, kann das Gericht auch freie Sachverständige für die Begutachtung beauftragen.

Werdegang und Voraussetzungen

Wer eine öffentliche Bestellung anstrebt, kann einen entsprechenden Antrag bei der für ihn zuständigen Kammer einreichen. Die Bestellkörperschaft, also die jeweilige Kammer, ermittelt dann zunächst den Bedarf und prüft im Anschluss die Qualifikationen der Antragstellerin bzw. des Antragstellers unter Berücksichtigung der Mustersachverständigenordnung (MSVO) der DIHK4. Voraussetzung zur öffentlichen Bestellung ist neben einer profunden Berufserfahrung auch gemäß § 2 Absatz 4 eine „notwendige praktische Erfahrung und die Fähigkeit, Gutachten zu erstatten“, also der Nachweis über die Tätigkeit als Sachverständiger. 

Vor- und Nachteile der Vereidigung

Wer einmal bestellt und vereidigt ist hat eine sichere Auftragslage, denn der öffentlich bestellte Sachverständige ist dem freien Sachverständigen durch das Gericht oder anderen öffentlichen Auftraggebern dann vorzuziehen, wenn dieser für das jeweilige Fachgebiet vereidigt ist. Zeitgleich ergibt sich hieraus aber auch ein entscheidender Nachteil. Denn im Gegensatz zum freien Sachverständigen hat der besteht i.d.R. für den herangezogenen Fall annahmepflicht. Ein weiterer Nachteil ist, dass ein öffentliche Auftraggeber beauftragter Fall nach JVEG vergütet wird und diese Sätze unter den in der freien Wirtschaft üblichen Honorare für Sachverständige liegen.

Sachverständiger gemäß DIN EN ISO/IEC 17024

Was ist die ISO 17024?

2009 hat der deutsche Gesetzgeber mit dem Akkreditierungsstellengesetz und der Einführung von § 36a Gewerbeordnung (GewO) zwei Systeme der Qualitätssicherung für Sachverständige etabliert: Die oben genannte öffentliche Bestellung durch Kammern und die Zertifizierung nach ISO 17024 durch akkreditierte Stellen.

Damit hat sich der Gesetzgeber gegen eine Abschaffung der öffentlichen Bestellung sowie gegen eine alleinige Übertragung der Qualitätssicherung auf die Kammern entschieden. Er hat im Interesse der Verbraucher einen Qualitätswettbewerb geschaffen.

Beide Systeme beruhen auf einer gesetzlichen Grundlage. In beiden werden die Sachverständigen von einer unabhängigen, anerkannten Stelle geprüft und überwacht. Insoweit sind sie vergleichbar.

Allerdings geht die ISO 17024-Zertifizierung einen Schritt weiter: Hier wird nicht nur der Sachverständige überprüft, sondern auch der Zertifizierer und das gesamte Zertifizierungssystem durch die DAkkS2. Zudem wird die fachliche Kompetenz des Zertifizierungspersonals regelmäßig begutachtet.

Werdegang und Voraussetzungen

Wer eine Zertifizierung gemäß ISO 17024 anstrebt kann sich bei einem der zahlreichen Institute einer entsprechenden Prüfung unterziehen. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass das jeweilige Institut auch wirklich die DAkks akkreditiert ist. Bei Instituten, die für die Zertifizierung gemäß DIN 17024 akkreditiert sind, werden, im Zuge des Prüfverfahrens, durch den Antragssteller erstellte Gutachten aus seiner Sachverständigenpraxis zur Einsicht verlangt und auf ihre Qualität geprüft. Renommierte Zertifizierungsinstitute verlangen für die Zulassung zur Prüfung zudem einen mindestens zweijährigen Tätigkeitsnachweis als Sachverständiger.

Vor- und Nachteile

Wer für Versicherungen und Finanzinsitute arbeiten will sollte eine Zertifizierung nach ISO 17024 vorweisen. Diese wird hier in der Regel erwartet. Die Zertifizierung schafft vertrauen bei den entsprechenden Auftraggebern. Nachteil ist, dass nicht nur die Zertifizierung selbst sondern auch die regelmäßige Rezertifizierung sehr zeit- und kostenaufwendig ist.

Freie Sachverständige

Wie oben beschrieben erfordert in der Regel sowohl die öffentliche Bestellung als auch die Zertifizierung nach ISO 17024 den Nachweis über eine mehrjährige berufliche Erfahrung als tätiger Sachverständiger. Diese Phase kann als sogenannter "freier Sachverständiger" durchlaufen werden.

Voraussetzungen und Werdegang

So merkwürdig es klingt, aber rein formell gibt es außer dem Nachweis darüber, dass keine Straftaten vorliegen keine Zugangsvoraussetzungen, um als freier Sachverständiger tätig zu werden. Selbstverständlich ist jedoch neben einer fundierten beruflichen Praxiserfahrung und einem profunden Vorwissen eine fundierte Ausbildung unbedingt geboten, um als Sachverständiger tätig zu werden. Denn der Beruf "Sachverständiger" ist enorm komplex und mit hoher Verantwortung verbunden. 

Problematischer Weise ist eine solche (Grund-)Ausbildung für das (Bau-) Sachverständigenwesen gemäß deutscher Gesetzgebung, anders als bspw. bei den Handwerksberufen selbst, nicht eindeutig geregelt. Somit müssten Weiterbildungsangebote eigenständig zusammengestellt und praktische Kenntnisse eigenständig antrainiert werden. Auf Basis dieser selbst zusammengetragenen „Ausbildung“ kann dann die Sachverständigentätigkeit aufgenommen werden, um zu einem späteren Zeitpunkt entsprechende Fähigkeiten nachweisen und eine öffentliche Bestellung, bzw. Zertifizierung gemäß DIN 17024, anstreben zu können. Diese Herangehensweise unterschlägt aber einen wichtigen Aspekt der Sachverständigentätigkeit:

Per Gesetz ist ein Sachverständiger zur Neutralität und Gewissenhaftigkeit verpflichtet und haftet für seine gutachterlichen Leistungen! Gemäß geltenden Regelungen sollen Sie sich also ohne entsprechende Ausbildung in ein haftungsriskantes Tätigkeitsfeld begeben, dort Erfahrungen sammeln und dann eine geschützte Zertifizierung anstreben.

Gutachter mit TÜV Rheinland geprüfter Qualifikation

Die Zertifizierung (durch PersCert TÜV Rheinland) fällt zwar ebenfalls unter die "freien Sachverständigen", ist jedoch markenrechtlich geschützt. Damit wird ähnlich wie bei rechtlich geschützen Sachverständigenzertifizierungen vertrauen bei den Auftraggebern geschaffen. Dieses privatrechtliche Zertifizierungskonzept wird "Personenzertifizierung" genannt. 

Die Personenzertifizierung

Bei einer Personenzertifizierung wird durch eine kompetente Stelle wie der TÜV Rheinland bescheinigt, dass die Kompetenzen einer Person mit vorab definierten Qualifikationsprofilen übereinstimmen. Die SV Akademie kooperiert mit TÜV Rheinland in diesem Bereich. Gemeinsam bieten sie Lehrgänge und Prüfungen für angehende Sachverständige an. Die Teilnehmer:innen erwerben dabei nicht nur das nötige Fachwissen, sondern können sich am Ende auch einer unabhängigen Prüfung des TÜV Rheinland unterziehen. Nach bestandener Prüfung erhalten sie ein Zertifikat, das ihre erworbenen Kompetenzen bestätigt. Eine solche Personenzertifizierung ist somit ein wichtiger Mehrwert für Sachverständige. Sie schafft Glaubwürdigkeit und Vertrauen bei potenziellen Auftraggebern. Zusätzlich steht am Ende jedes Lehrgangs eine von der Lehre getrennte und damit unabhängige Prüfung, bei der ausschließlich Jene zertifiziert werden, die sich als hinreichend „sachverständig“ bewiesen haben.

Werdegang und Zulassungsvoraussetzungen

 

SV Akademie und TÜV Rheinland haben mit den Lehrgangskonzepten "SV Akademie - Gutachter" eine Grundausbildung für Sachverständige etabliert. Durch diese Lehrgänge wird erstmalig eine ausführliche klar strukturierte Ausbildung angeboten, bei der alle notwendigen theoretischen Kenntnisse zur Sachverständigentätigkeit fachgebietsspezifisch vermittelt und anhand von Praxisbeispielen erläutert werden. Auf Grund der Fülle an notwendigen Informationen, die es zu vermitteln gilt und der Vielzahl an Besonderheiten bei der praktischen Anwendung setzt die SV Akademie auf fundierte und ausgedehnte Lehrgangszeiträume. Das notwendige Grundwissen kann in kürzerer Zeit nicht vermittelt werden. Sachverständiger werden Sie nicht in drei Tagen! Nur die entsprechenden Zulassungsvoraussetzungen erfüllt und den Lehrgang, die Lerneerfolgskontrollen, die Gutachtenübungen sowie die Abschlussprüfung erfolgreich absolviert erhält die Zertifizierung durch TÜV Rheinland und das Recht zur Nutzung des TÜV Signets. 

  1. Bezug: Bauwesen für die Fachbereiche: Schäden an Gebäuden und Immobilienbewertung

  2. DAkkS: Die Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS) ist die nationale Akkreditierungsstelle der Bundesrepublik Deutschland gemäß der EG-Verordnung 765 / 2008 und dem Akkreditierungsstellengesetz (AkkStelleG)

  3. Gesetz zur Ordnung des Handwerks

  4. DIHK: Der Deutsche Industrie und Handelskammertag ist Herausgeber des Mustersachverständigenordnung

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